Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

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RedEric
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Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von RedEric »

soweit ich gesehen habe gibt es keinen richtigen Thread zu dem Buch.

Vorneweg, ich habs gekauft, gelesen, nochmals gelesen, weggelegt und fand es furchtbar.

* Geschichte:
  • Die Idee, eine Dampfmaschine und darauf aufbauend einen Zug zu erfinden ist gut und Interessant. Für Pratchett als Engländer natürlich sehr nahe liegend. Das Potential das in der Idee steckt wurde imho jedoch nicht ausgeschöpft. An manchen stellen springt der Handlungsablauf vorwärts, an manchen hat er längen, Es gibt Nebenstränge, die ins nichts führen. Motivationen, warum manche Figuren agieren, wie sie es tun, werden schlecht ausgeführt. Und es macht den Eindruck, dass sich der Bau der Eisenbahn eher an der amerikanischen Geschichte orientiert, als an der Englischen. Letzteres ist per se nicht negativ, hat mich nur verwundert. Negativ empfand ich, dass sich Charaktere von Figuren geändert haben. Mumm, Vetinari usw... Und das nicht zum besseren. Vetinari ist nicht mehr zynisch, Mumm nicht mehr sarkastisch. Beide eher betulich und übertrieben-betont moralisch.
* Schreibstil:
  • Es zeichnete sich bereits sein längerer Zeit eine Entwicklung des Schreibstils ab. Das mag Pratchetts Erfahrung geschuldet sein, oder evtl. auch seiner Erkrankung. Bei diesem Buch empfinde ich es jedoch als massiven Bruch. Früher wurde die Geschichte mittels Dialogen und Beschreibung der Handlungen der Protagonisten vorangetrieben. Es entstand beim durch_ lesen von alleine, dass Vetinari zynisch, ironisch usw. ist. In diesem Buch, wird hingeschrieben, dass der Vetinari fei ironisch ist. Die Dialoge werden nicht mehr benutzt um die Kontur einer Figur zu schärfen und diese beim Leser entsteht, sondern es wird einem Vorgekaut.Bei Mumm ist es ähnlich (siehe Verhöre der zwei Zwerge im Zug) Für mich ist ein Kriterium für einen schlechten oder guten Schreiber, ob er das Profil seiner Figuren direkt hinschreibt oder ob er die Figur mittels Dialogen und Handlungsbeschreibungen zum leben erweckt. So gesehen, wurde das Buch von einem schlechten Schreiber geschrieben, wer immer das war.
* Übersetzung:
  • Ja das übliche. Jung wird ja viel gescholten. Manchmal auch zu unrecht. Für dämliche Buchtitel und Schachtelsätze aus dem Orginal kann er nix für. Mich haben die Namensänderungen aufgestoßen. Frau Liebherzs Spitzname ist nun plötzlich Spackes statt Spikes. Spackes hat in Deutsch eine eher negative Konation ala Spacken. Kommt das vom Original?

    Die Grags sind wohl diejenigen, die im 5 Elefanten Klopfmänner genannt werden. Es gibt in diesem Buch auch ein paar Anspielungen auf deren Arbeit, ist aber nur verständlich wenn man den 5. El. gelesen hat. Grag kommt da nur in der Form von "hr’grag", das zwergische Wort für dreißig vor. Oder ist das ein Problem des Originals?

    Richtig gestolpert beim lesen bin ich über die Abkürzung "Feld" von Feldwebel. Klar es kommt vom Original "Serg" als Abkürzung von Sergant. Aber im englischen ist das üblich und richtig. Ins deutsche übertragen stolpert man darüber und empfindet es als schlechtes Deutsch. Da hat mir die Lösung mit dem Vornamen "Fred" von Brandhorst besser gefallen.

    Nach meinen empfinden lesen sich die von Jung übersetzten Bücher nicht mehr so flüssig wie die früheren und das Deutsch wirkt aufgesetzt und bemüht. Ob das allein am Übersetzer liegt, kann ich so nicht sagen. Die von Jung übersetzte Trilogie "Bartimäus" wirkte auf mich nicht so.
* Aufmachung:
  • Der dt. Titel ist unter aller Sau. Das Titelbild eben so. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass mit Aufmachung und (Neu)übersetzung versucht wird ein breiteres anspruchsvolleres Publikum zu erreichen. Ein breiteres Publikum mag sein. Imho aber eher ein anspruchsloseres.

    Am Buchende werden die Neuübersetzungen als Preisgekrönt bezeichnet. Hat denn eine Neuübersetzung einen Preis bekommen? Oder nur einer der neuen Übersetzer einen Preis für irgend eine Übersetzung bekommen? Klingt für mich etwas nach Werbelüge vom Verlag.
Tod
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Tod »

Auf der Wikipedia-Seite von Gerald steht "2006: Auszeichnung für die Übertragung von John Barnes The Sky so Big and Black mit dem Kurd-Laßwitz-Preis für die beste Übersetzung". Vielleicht kann er selbst etwas dazu schreiben, ob man beim Verlag den Preis mit der Werbeaussage gemeint hat oder ob es einen Preis für eine der Neuübersetzungen gab und wir haben davon nichts mitbekommen (und können es bei unserer bevorzugten Suchmaschine auch nicht finden...).

Ich gebe dir in vielen Punkten deiner Punkte recht. Gerade die Zeitsprünge haben mich gestört, weil es so gar nicht zum Stil der bisherigen Romane gepasst hat. Es wirkt so, als gehe es in erster Linie um die technische Entwicklung der Eisenbahn und darum diese in einem Roman abzuhandeln. Die Charaktere sind damit nur noch Mittel zum Zweck.
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Ponder
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Ponder »

Hallo RedEric, erstmal ein herzliches Willkommen hier im Forum!
Als ich deinen Beitrag gelesen habe, musste ich an einigen Stellen zustimmen, auch wenn ich das Buch bisher nur im Original gelesen habe. Ich gehe einfach mal der Reihe nach durch.
  • Geschichte
    Ich muss zugeben, ich kenne mich nicht sonderlich mit der amerikanischen oder englischen Eisenbahngeschichte aus. Aber auch ich hatte ein wenig das Gefühl, dass man aus der Grundgeschichte ein wenig mehr hätte machen können. Die Geschichte ist von ihrem Aufbau anders als die typischen Pratchetts und insbesondere die Scheibenwelt-Geschichten. Das fängt schon damit an, dass die Geschichte erst ein paar Jahre nach den Ereignissen der vergangenen Bücher anfängt. Weiter tauchen in der Geschichte zahllose Zeitsprünge auf und die ganze Geschichte streckt sich über Jahre. Der Plot des Eisenbahn-Bauens braucht auch recht lange bis er sich entwickelt und dümpelt erst recht lange vor sich hin. Die ganze Nebengeschichte mit den Zwergen hingegen brodelt sehr viel schneller auf, so dass ich mir nicht immer sicher war, was jetzt genau wie parallel passiert.
    Irgendwie hatte ich beim ganzen Drängen von Vetinari immer gedacht, dass dieser irgendwelche geheimen Informationen über die Zwerge oder ein anderes bevorstehendes Ereignis hat und deswegen so auf eine möglichst rasche Fertigstellung der Linie pocht. Aber die Erwartung lief ein wenig ins Leere. Auch wenn die Eisenbahn schließlich eine wichtige Rolle spielt, als die beiden Plots schließlich zusammen laufen, so hatte ich mir den Teil ein wenig besser vorgestellt.
    Zu den Charakteränderungen: Auch mir ist die Unterschiedliche Ausarbeitung der Charaktere aufgefallen. Bei Vimes/Mumm kann ich dies sogar unter der Prämisse, dass sehr viele Jahre vergangen sind und er nun einen Sohn hat, sogar zu einem gewissen Maß nachvollziehen. Bei Vetinari war ich erstmal einfach erschrocken, auch wenn hier die Jahre wohl auch einen gewissen Tribut gefordert haben könnten. Bei einigen anderen Nebencharakteren fand ich das Auftreten auch nicht ganz schlüssig und hatte das Gefühl, dass sie einfach erwähnt wurden aus dem Grund, dass sie noch einmal erwähnt werden. Das war bei einem gewissen anderen, lang verschollenen, Charakter noch besser gelöst.
    Am Ende meines Posts gehe ich in einem persönlichen Fazit noch einmal kurz auf die Geschichte ein.
  • Schreibstil
    Da muss ich dir zum großen Teil leider recht geben. Die Dialoge zwischen den Personen sind nicht mehr so gut, wie sie früher einmal waren. Früher haben die Dialoge die Handlung etwas weiter vorangetrieben, wie du bereits geschrieben hast. Das konnte man in dem Buch leider nicht mehr so vorfinden. Es mag am Gesundheitszustand Pratchetts liegen, oder aber auch daran, dass die Handlung mit ihren ganzen Zeitsprüngen einfach anders aufgebaut ist, und eine dialoggetriebene Geschichte dann nicht mehr so gut funktioniert. Vielleicht auch an einer Mischung. Schade ist es in jedem Fall.
  • Übersetzung
    Wie bereits geschrieben, habe ich die Übersetzung noch nicht gelesen.
    Soweit ich weiß sind die Grags (engl. Grags) und die Klopfmänner (Knockermen) zwei verschiedene Zwergenberufe/gruppierungen.
    Die Grags tauchten meines Wissens zuerst in Thud!/Klonk! auf. Um das Discwiki zu zitieren:
    Discwiki, Artikel Grags hat geschrieben:Grag ist ein Titel und bezeichnet eine Autorität zwergischer Überlieferungen. Sie gelten such als rechtsgelehrte Zwerge und ihnen obliegt die Pflege des Kruks, des Zwergenrechts, womit sie die Funktionen eines Bergbausachverständigen, Anwaltes, Notars, Richters, Standesbeamten und Priesters in sich vereinen. (Quelle: Link )
    Discwiki, Artikel Klopfmänner hat geschrieben:Klopfmann ist ein zwergischer Beruf. Ein Klopfmann stellt sicher, dass neu freigelegte Stollen frei von Grubengas sind. (Quelle: Link )
    Beide Berufe haben gemein, dass sie sehr angesehene Berufe sind.
    Wenn man die Historie der Bücher etwas verfolgt, stellt man schnell fest, dass sich die Zwerge von ihrer Art her ziemlich geändert haben. Wurden sie in den ersten Büchern noch als völlig religionslos bezeichnet, so haben sie in den neueren Büchern schon einen quasi-religiösen Glauben mit Tak, ihrem Weltenschöpfer, sowie ihrer zwergischen Tradition. Dies entwickelt sich sogar bei manchen zum Fanatismus weiter. Ich hatte allerdings auch den Eindruck, dass diese Entwicklung der Zwerge wenig ihren Anfang im Buch "Der fünfte Elefant" nimmt, wo eben diese Klopfmänner erwähnt werden.
  • Aufmachung
    Bei Cover und Titel werden dir vermutlich 99% aller Pratchett-Fans recht geben. Das ist ein Punkt, der bereits seit vielen Jahren so ist. Zwar sind die allerneusten Cover nicht mehr ganz so schlimm wie sie bereits einmal waren, aber gut ist immer noch etwas anderes. Ein wenig schade finde ich es, dass diesmal auch der Titel wieder eher äußerst platt gewählt wurde.

    Was die Auszeichnungen für die Neuübersetzung betrifft weiß ich bis jetzt nur von einem Arbeitsstipendium, welches Regina Rawlinson für die Neuübersetzung von Reaper Man/Alles Sense bekommen hat.
  • persönliches Fazit
    Fand ich den Roman richtig schlecht? Nein, nicht wirklich, aber auch nicht wirklich gut. Ich hatte beim Lesen des Romans ein wenig das Gefühl als würde Terry Pratchett mit diesem Roman ein Abschiedsgeschenk für die Fans von der Scheibenwelt schreiben und dabei noch schnell ein Lieblingsthema von ihm, die Eisenbahn, verwenden wollen.
    Warum sehe ich das so? Zum einen war es überraschend, dass nach Making Money/Schöne Scheine Moist/Feucht eine neue Arbeit in der Eisenbahn findet und nicht bei der Reform des Steuersystems, wie es am Ende des anderen Buches noch stark angedeutet wurde. Weiterhin haben sehr viele Charaktere irgendwelche Gastauftritte. Das fängt bei Lu-Tze und Simnel an und hört bei den Gnomen auf, welche lange Zeit keine wirkliche Erwähnung mehr gefunden hatten. Außerdem sind Ort und Zeit des Romans ungewöhnlich gewählt. Der Roman spielt ettliche Jahre nach den Ereignissen der vorangeganenen Bücher. Was den Ort betrifft, und dieser Punkt macht für mich sehr viel der Kritikpunkte wieder wett: Er zeigt uns zum ersten Mal die Gegend um Ankh-Morpork, sprich die Sto-Ebene und das Gebiet zwischen der Stadt und den Spitzhornbergen, und sogar Überwald, in einer Ausführlichkeit die wir bis jetzt nicht gesehen haben. Natürlich wird vieles nur angedeutet und nicht sonderlich ausgemalt, aber zumindest habe ich eine sehr viel bessere Vorstellung des Gebietes dort bekommen, als ich vor der Lektüre des Buches hatte. Und es wirkte für mich ein wenig so, als gäbe es dort draussen noch sehr viele Geheimnisse und Abenteuer, die es zu entdecken gibt. Im Vergleich dazu hatte ich sonst bei den vergangenen Büchern irgendwie den Eindruck, dass die Flecken auf der Karte langsam gefüllt wären und man nun überall gewesen wäre und alles gesehen hätte. Das Buch hat mir gezeigt, dass dem nicht so ist und wir alle noch eine Welt zum Entdecken haben.
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von RedEric »

ah, das mit den Grags ist wohl meine Unwissenheit. Klonk ist zu lange her dass ich das gelesen hab und das Buch ist diffundiert.

Ich glaube nicht, dass die Änderung der Dialoge den Aufbau der Geschichte geschuldet ist, das würde davon nicht beeinflusst werden. Ich vermute sehr stark, dass dem Schreiber die Fähigkeit abging.

So viel muss man gar nicht über die Eisenbahngeschichte wissen um zumindest zu sehen, dass bei den Amis anleihen genommen wurden. Zum Beispiel Kuhfänger. Aber das ist ja legitim. Wen es interessiert, ich denke, das beschrieben Zugunglück geht auf den Eisenbahnunfall im Clayton Tunnel zurück. Da Pratchett ja gerne Anleihen an bestehender Literatur oder Ereignissen nimmt, nehme ich an, das auch der Unfall der beiden Brüder von etwas inspiriert wurde.
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Ponder »

RedEric hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass die Änderung der Dialoge den Aufbau der Geschichte geschuldet ist, das würde davon nicht beeinflusst werden. Ich vermute sehr stark, dass dem Schreiber die Fähigkeit abging.
Diese Erklärung liegt nahe ja. Aber ich denke selbst bei besseren Dialogen (von Pratchett) wäre es bei dieser Geschichte schwieriger diese von den Dialogen so weit tragen zu lassen wie die früheren Werke.
RedEric hat geschrieben: So viel muss man gar nicht über die Eisenbahngeschichte wissen um zumindest zu sehen, dass bei den Amis anleihen genommen wurden. Zum Beispiel Kuhfänger.
Überraschung! Der Kuhfänger ist von einem Briten erfunden worden, der meines Wissens nie in den USA war, nämlich von Charles Babbage. Der Name mag dem einen oder anderen vielleicht geläufig sein. Er ist vorallem bekannt dafür eine frühe Rechenmaschine entworfen zu haben.
RedEric hat geschrieben:Aber das ist ja legitim. Wen es interessiert, ich denke, das beschrieben Zugunglück geht auf den Eisenbahnunfall im Clayton Tunnel zurück. Da Pratchett ja gerne Anleihen an bestehender Literatur oder Ereignissen nimmt, nehme ich an, das auch der Unfall der beiden Brüder von etwas inspiriert wurde.
Danke, von dem Unglück hatte ich tatsächlich noch nichts gehört gehabt.
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von TheLibrarian »

RedEric hat geschrieben:Richtig gestolpert beim lesen bin ich über die Abkürzung "Feld" von Feldwebel. Klar es kommt vom Original "Serg" als Abkürzung von Sergant. Aber im englischen ist das üblich und richtig. Ins deutsche übertragen stolpert man darüber und empfindet es als schlechtes Deutsch. Da hat mir die Lösung mit dem Vornamen "Fred" von Brandhorst besser gefallen.
*Sarge ;)
In den früheren Büchern ist "Fred" auch im Original die Anrede. Der alte, harte Kern der Wache sprach sich nur mit Vornamen an - auf Ränge wurde eigentlich nur bestanden, wenn sie sich wegen irgendwas stritten, dann war Fred "Feldwebel Colon, Nobby". Das ist keine Erfindung/Anpassung von Brandhorst.

Zum Rest kann ich bislang noch nichts sagen, da ich die Lektüre noch immer vor mir her schiebe. Und wenn man sowas liest, sinkt mein Interesse eigentlich noch ...
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Feles Cum Libero »

Mir hat "Raising Steam"* recht gut gefallen, was ich auch in meiner Rezension für die Times ausgedrückt habe**. Wobei ich den vorangehenden Beiträgen (zumindest teilweise) zustimmen muss: Es gibt ein überflüssige Gastauftritte altbekannter Charaktere und die Figuren wurden anders charakterisiert. Letzeres fand ich aber gar nicht so unpassend, da - wie im Thread schon mehrfach erwähnt - wieder Zeit vergangen ist, es zum Teil deutliche Veränderungen im Leben der Charaktere gab, und die Perspektive eine etwas andere ist. Moist sieht z.B. Vetinari oder Vimes anders, als Vimes Vetinari oder sich selbst sieht. Auch ist der Grundstein für einige Charakteränderungen/-entwicklung schon in früheren Büchern gelegt wurden, man betrachte zum Vergleich Vetinaris Verhalten am Ende von Snuff. Insgesamt liegt aber der Schwerpunkt von "Raising Steam" nicht ganz so sehr auf den Personen als vielmehr auf den größeren Entwicklungen, wie eben der Eisenbahn und der Krise in der Zwergengesellschaft.
RedEric hat geschrieben:So viel muss man gar nicht über die Eisenbahngeschichte wissen um zumindest zu sehen, dass bei den Amis anleihen genommen wurden. Zum Beispiel Kuhfänger. Aber das ist ja legitim. Wen es interessiert, ich denke, das beschrieben Zugunglück geht auf den Eisenbahnunfall im Clayton Tunnel zurück.
Abgesehen davon, dass ja auch Anleihen bei den Amis legitim sind, sehe ich nicht so ganz, was du meinst. Der Kuhfänger wurde von einem Briten erfunden, wie Ponder geschrieben hat. Der erwähnte Unfall im Clayton Tunnel fand auch in England statt. Das Vorantreiben des Streckenausbaus, der Wohnungsbau für die an der Eisenbahn beteiligten Arbeiter und ihre Familien, die Verhandlungen mit Grundbesitzern, usw., das sind alles Dinge, die in England (aber eben auch zum Teil in den USA) stattfanden.
RedEric hat geschrieben:Da Pratchett ja gerne Anleihen an bestehender Literatur oder Ereignissen nimmt, nehme ich an, das auch der Unfall der beiden Brüder von etwas inspiriert wurde.
Dieser Unfall wurde ziemlich sicher von einem realen Ereignis inspiriert, ich erinnere mich daran, dass ich im Museum of Science & Industry in Manchester etwas über einen recht ähnlichen Unfall (übrigens in England) gelesen habe. Aber ich erinnere mich leider nicht mehr an genaueres.

Mein Gesamteindruck von "Raising Steam" war grundweg positiv, wenn auch mit kleineren Schwächen. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass hier meine Begeisterung für die Eisenbahn und die Geschichte(n) drum herum, durchschlägt.

-----------------------------
* Habe das Buch nur auf englisch gelesen.
** Club-Mitglieder können sie hier lesen: http://www.ankh-morpork-times.de
Zuletzt geändert von Feles Cum Libero am Freitag 28. November 2014, 12:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Ponder »

@Feles: Das zweite Zitat war auch von RedEric, nicht von mir ;-)
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Feles Cum Libero
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Feles Cum Libero »

@Ponder: Huch, da hat der "Zitieren"-Button anders funktioniert, als ich erwartet habe, dachte nämlich, ich hätte RedEric zitiert. Naja, werde den Fehler gleich mal korrigieren.
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Bat
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Bat »

Ich muss sagen, mir hat "Raising Steam" besser gefallen als die beiden Vorgänger. "Unseen Academicals" und "Making Money" fand ich beide eher langweilig. Das hatte ich bei "Raqising Steam" nicht.
Ich hab mich aber auch die ganze Zeit über Vetinari gewundert. Ich hatte auch das Gefühl, dass er irgendwas wusste, was dazu führte, dass er den Ausbau so vorantrieb.

Was die Gastauftritte betrifft: Ich hab mir gedacht: "Oh nett, den gibt's auch noch". Ich mein, die Charaktere sind alle in AM heimisch und natülich müssen sie bei so einem Großereignis dabie sein. Wenn man in einer Großstadt irgendwas wichtiges eröffnet sind da auch alle möglichen Leute, die man kennt. Ohne, dass die irgendeine wichtige Rolle bei der Eröffnung oder dem Bau zu tun gehabt hätten.

Zum aktuellen Titel: Der wurde unter anderem auch hier im Forzum diskutiert. Um das Ärgernis, der seltsamen Titel zu umgehen, muss man sich wohl bei ein paar Titeln trauen sich stärker vom Originaltitrel zu lösen. Bei Anderen ist eine 1 zu Übersetzung aber vorzuiziehen gewesen.*

Und über Cover kann man immer streiten ;-) Ich muss allerdings sagen, dass ich die Verlagsargumente im Bezug auf die Kidby-Cover nicht nachvollziehen kann. Die sind um einiges tauglicher die nicht typischen Fantasy-Leser anzulocken als es die Kirby-Cover waren oder die neuen seltsamen selbstgeschusterten Cover. Mir persönlich kommt es nach einer Ausrede vor, um nicht die Rechte des Covers auch zu bezahlen...

*"Heiße Hüpder" zB...

P.S.:Ich hoffe nicht, dass das der letzte Gruß von der scheibe war... Ich hoffe immer noch auf das vor ewigen Zeiten erwähnte "Scouting for Trolls". In "Raising Steam" klingt ja an, dass es diese Bewegung auf der Schiebe gibt...
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Tod »

Bat hat geschrieben: P.S.:Ich hoffe nicht, dass das der letzte Gruß von der scheibe war... Ich hoffe immer noch auf das vor ewigen Zeiten erwähnte "Scouting for Trolls". In "Raising Steam" klingt ja an, dass es diese Bewegung auf der Schiebe gibt...
Der nächste Tiffany-Roman scheint ja fast fertiggestellt zu sein. Darüber hinaus weiß ich allerdings gerade nichts.
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Dr.Wednesday »

Hallo RedEric und auch die anderen,

zum Thema "preisgekrönt": Für eine Pratchett-Übersetzung ist Regina Rawlinson mit einem Preis ausgezeichnet worden, seitdem ist weder bei ihr noch bei mir was dazugekommen. Andere Preise spielen hier nicht unbedingt eine Rolle. Von daher hat der Verlag allem Anschein nach einfach mal in die Werbetrickkiste gegriffen ... wohl auch, um der unsachlichen Stänkerkritik (wie sie v.a. bei amazon betrieben wird) ein bisschen was entgegenzusetzen. War aber nicht mit uns abgesprochen, ich hab es auch erst im fertigen Buch gelesen.

Das mit dem "Feld" für "Sarge" habe ich (als Ungedienter) irgendwo im Netz gefunden und war dann ganz glücklich darüber, konnte es jetzt auf die Schnelle aber nicht mehr finden. Ich habe es in dieser Verwendung auch schon gehört (Film?) oder gelesen, von daher war ich ganz glücklich, was Passendes gefunden zu haben.

"Spackes" finde ich eher kumpelhaft-liebevoll und entspricht meinem Gefühl nach ziemlich dem, was das Original meint. Die allermeisten Namen lassen wir ja so, wie sie eingeführt sind, bei dem einen oder anderen juckt's dann aber doch - vor allem, wenn so gut wie alles eingedeutscht wurde, sticht das "Spike" irgendwie komisch raus, und an der Stelle kann man dann ein bisschen spielen, finde ich. Trifft halt nicht immer jeden Geschmack, auch klar.
Insgesamt ist es schon so, dass man sich als Übersetzer immer (allermeistens!) ein paar Gedanken zu dem macht, was man da hinschreibt, auch wenn es dann nicht jedem Leser einleuchtet oder gefällt. Natürlich sollten die Lösungen am Ende nicht dumm auffallen oder sperrig wirken - andererseits arbeitet TP in seinen Originalen auch gerne mit sperrigen und um drei Ecken gedachten Verschwurbelungen, die so manchem native speaker nicht minder seltsam vorkommen dürften ...

Soviel dazu,
mit Grüßen in die Runde!
Eule
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Eule »

Technische Anmerkung zur Anrede "Feld":
In der Bundeswehr - und vermutlich auch schon früher - ist die Anrede für einen Oberfeldwebel bzw. Hauptfeldwebel:
Herr Oberfeld bzw. Herr Hauptfeld.
Daraus kann man schon die Anrede "Feld" ableiten. Die Anrede "Feldwebel" (ohne Herr) ist sperrig und in der Bundeswehr genauso unmöglich.
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Anjali
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Re: Toller Dampf voraus - dt. Ausgabe

Beitrag von Anjali »

Auch wenn ich eigentlich nichts neues zu sagen habe, möchte ich doch auch schnell meine Meinung abgeben. ;)

Ich hab zu Weihnachten das Buch geschenkt bekommen und daraufhin natürlich sofort gelesen. Mein Vater versorgt mich zuverlässig mit den neuen Pratchett-Büchern, daher warte ich immer geduldig, bis es soweit ist. So kommt es allerdings auch, dass meine Beiträge manchmal etwas verspätet sind.

Ich schließe mich Bat an: Das Buch hat mir besser gefallen, als die letzten Neuerscheinungen. Allerdings kann ich es grad nicht mit "Making Money/Schöne Scheine" vergleichen, da ich mich an das Buch zu vage erinnere. Ich vergleiche es hier vor allem mit "Unseen Academicals/Unsichtbare Gelehrte" und "Snuff/Steife Prise!". Im vergleich dazu hatte das Buch für mein Empfinden regelrecht Schmackes. Der Witzt ist zwar wesentlich ... sagen wir "sanfter", als in den klassischen Romanen, aber immerhin war er vorhanden. Für mich hatte das Buch etwas von einem Nachleuchten der guten alten Zeiten.
(Ich glaube, dass es unter den gegebenen Umständen eh gerechter ist, die neuen Bücher untereinander, anstatt mit den alten zu vergleichen.)

Natürlich haben mich auch einige Sachen gestört und ich hab einiges vermisst. Die Gastauftritte, eine gewisse Diffusität...nicht mehr der alte Witz, gewisse Veränderungen...schon klar. (Wären die Gastauftritte nicht gewesen, hätte man sich vielleicht gefragt, wie denn z.B. die Zauberer eigentlich auf diese krasse Neuerung reagieren.) Das schenk ich dem guten alten Pterry aber einfach mal. Immerhin krass, dass er überhaupt noch was für uns schreibt! Als treuer Fan, der zudem ein wenig Einblick in das Schreibwesen hat, versuche ich da auch mit einer gewissen Sensibilität ranzugehen. Er ist ja kein Dienstleister, der mir jetzt gefälligst ein tolles Buch zu liefern hat.
Hinzu kommt, dass das ja alles nicht neu für uns ist. Die Entwicklung hat sich ja schon seit einigen Jahren abgezeichnet. Ich bin darum auch mit einer sehr geringen Erwartung an das Buch rangegangen. Daher erstaunt es mich ein wenig, wie manche immer noch so überrascht sein können... so enttäuscht. Um es mal gemein auszudrücken: Von nem alten Gaul erwart ich doch auch nich, dass er ditt Rennen jewinnt.

Ein bisschen Übersetzungs-Gemecker: "Feld" und "Spackes" ist mir auch aufgestoßen. Ob das aber wirklich eine Frage der korrekten Übersetzung, oder der Gewöhnung ist, kann ich hier nicht entscheiden. Auf jeden Fall ist es nicht "falsch" übersetzt und Mr. Wendesday hat uns ja auch erklärt, wieso er das so gemacht hat. :)
Alles in allem hat mir die Übersetzung ziemlich gut gefallen. Vor allem ist mir aufgefallen, dass Geralt versucht hat, die individuellen Sprechweisen mit einzubauen. Das ist eine wirkliche Herausforderung, da im Englischen mit Dialekten und Akzenten ganz anders umgegange wird, als hier in Deutschland. Da gabs ja auch schon eine Diskussion hier im Thread, daher roll ich das nicht nochmal auf. ;)

Etwas Abwegiges zum Schluss...
Bei der Stelle mit Lu-Tze und dem Erzkanzler überkam mich ein seltsames Gefühl. Als Lu-Tze von dem "Sterben der ausgefransten Welt" sprach, hatte ich fast das Gefühl, einen verfrühten Nachruf zu lesen. Auch wenn ich nicht das Gefühl von Ponder teile, dass das Buch etwas von einem Abschiedsgeschenk hat, so kam mir die Stelle tatsächlich etwas seltsam vor...

Gut, das wars erstmal. Wie ihr es ja schon von mir gewohnt seit, konnte ich mich wiedermal nicht kurz fassen. :D
dum spero rideo
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